[Lichtgestalten] Janet Echelman: Grenzenlos auf der Lichtwolke

Als Janet Echelman zum Strandspaziergang aufbrach, ahnte die Malerin nicht, dass dieser ihrer Karriere eine völlig neue Richtung geben würde. Es war in Indien, und Echelman beobachtete Fischer, die an ihren Netzen hantierten. Sie war niedergeschlagen, weil sie alle ihre Gemälde verloren hatte.

Die waren auf dem Transport nach Indien verschollen. Dabei sollte Echelman mit den Bildern eine Wanderausstellung bestücken. Jetzt hielt sie lediglich kleine Figuren in Händen. Und da stieß sie auf diese Fischer, die ihre Netze flickten. Echelman bandelte mit ihnen an – und schuf aus den Netzen Installationen, die ihr nicht nur über den Engpass halfen, sondern sie zur weltweit gefragten (Licht-)Künstlerin machten.

Jüngst hat die US-Amerikanerin in Amsterdam mit einer Netzstruktur die schwebende, in verschiedenen Farben leuchtende Lichtwolke 1.16 geschaffen. Dafür hat sie sich mit Rogier van der Heide zusammengeschlossen, dem obersten Licht-Designer bei Philips.

„Erstmals habe ich mit Reflexionen im Wasser gearbeitet“, schwärmt sie. Zudem ließ sie die Farben ausbleichen, wodurch ihre Installation nachts in anderen Tönen schimmerte als tags.

In Philadelphia installiert sie gerade auf dem Dilworth Plaza ein Werk namens „garden of dry mist“, wobei sie die Geschichte des Platzes aufgreift, an dem einst Dampfzüge fuhren. Das Werk sei ein „Röntgenbild des Kreislaufs der Stadt“, beschreibt Echelman ihre Idee.

In Santa Monica schickt sie Strandbesucher auf Augenhöhe mit dem Meer, in Eugene installiert sie ein Kunstwerk in einer Basketballarena, in Vancouver wird sie während der TED-Konferenz 2014 ein Segel zwischen einem 30 Stockwerke hohem Gebäude und dem Kongresszentrum spannen. Auch deutsche Städte hat sie auf der Liste kommender Projekte. Mehr mag sie jedoch nicht verraten.

Echelman will Städten ein neues Gesicht geben. „Ich bin glücklich, wenn die Menschen meine Kunst in ihr Leben integrieren“, sagt sie über ihre sich im Wind wiegenden Werke. „Dann werde ich als Janet Echelman unwichtig.“ Manchmal schaut sie auf Flickr, ob Menschen Fotos ihrer Werke posten.

Gleich nach dem College war die aus Florida stammende Künstlerin nach Bali gezogen. „Dort ist Kunst Teil des Alltags“, sagt sie und schwärmt von der bunten, facettenreichen, traditionellen Kultur auf der Insel. In Hong Kong hat sie sich in chinesische Kalligraphie vertieft, von Japan bis Ungarn hat sie Kunst aufgesogen.

Ihre Arbeit beschreibt die heute 47-Jährige als Konversation. Die rechteckigen, scharfkantigen Konturen einer Stadt treffen auf die weichen, fließenden Strukturen ihrer Netze und Segel. „Variable Dinge wie Wind und Licht treffen auf industriell gefertigte Strukturen aus Stein und Glas“, sagt sie: „Für diesen Dialog müssen meine Kunstwerke auf Augenhöhe mit der städtischen Umgebung sein.“

Deshalb messen ihre Skulpturen viele Meter, und sie braucht die Hilfe von Technikern und Ingenieuren. „Meine Kunst braucht Herz und Hand“, sagt sie.

Städte wünschen sich von ihr etwas Besonderes, etwas Einzigartiges, das zum Postkartenmotiv der Stadt werden könnte. Sie erwarten von ihr, Plätze mit einem Gefühl aufzuladen. Echelman bekommt so viele Anfrage, dass sie ein Luxusproblem hat: Sie kann Aufträge ablehnen.

„Ich muss an Projekten wachsen, die Grenzen ausweiten“, sagt sie. Jede Arbeit muss etwas vollkommen Neues sein. Nach fertigem Erfolgsrezept arbeiten wäre undenkbar.

Was die Grenzen sind, die sie weitet? „Das ist ja das Tolle! Die Grenzen kennt niemand.“

Janet Echelman online  | Foto: Christopher Michel/ Wikimedia/cc 

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